Sibylle Reichel und Heike Stephan

Getroffen, gesehen –

Jenseitiges Schwarz trifft auf das

gesprochen, verstanden

lebendige Wahrnehmen der Farbe.



Sibylle REICHEL

Zeichnung, Arbeiten mit Papier
UHLST
ÄDT-KIRCHHASEL

Heike STEPHAN

Malerei, Grafik
LÖHMA

Wir beiden Künstlerinnen haben uns auf das Projekt KunstTANDEM eingelassen. Zuerst war es für uns das Einfachste zu telefonieren. Dann begegneten wir uns in unseren Arbeitsräumen, um uns durch Reden und Zuhören, durch das Betrachten unserer Bilder, auf denen die Themen, die wir in uns tragen, oft zu sehen waren, kennenzulernen und uns anzunähern.


In mir kamen Fragen auf: Was interessiert mich an Sibylle, was berührt mich an ihren Bildern, welche innere Motivation treibt sie? Mit Worten versuchte sie ihre Bildwelten, die Farbigkeit ihrer Aquarelle, an denen sie zur Zeit arbeitet, zu erklären. Ihre beharrliche Haltung zeigte mir ihre differenzierte Weise, Flächigkeit mit Inhalten menschlicher Befindungen und Erkenntnissen in Farbe zu füllen.


Jetzt fand ich unseren gemeinsamen Punkt des Beginns unserer Zusammenarbeit: hell/dunkel, schwarz/ weiß. Kontraste meiner Tiefdruckgrafiken wollte ich mit den farbigen Flächen von Sibylle verdichten, lebendiger, strahlender werden lassen. Chine Collé, eine Drucktechnik, ist wie geschaffen dazu. Die Collage ermöglicht, dass die Farbe aus dem Dunkel der grafischen Drucke hervorspringt. Es gelang mir, das Aquarell und die Radierung gemeinsam zu drucken. Jenseitiges Schwarz trifft auf das lebendige Wahrnehmen der Farbe in einem Druckvorgang.


Wir haben uns in diesem Projekt getroffen, gesehen – gesprochen – verstanden ... und wir konnten unsere eigenen Inhalte, unsere Bildideen, in gemeinsamen Arbeitsergebnissen wiedergeben.


HEIKE STEPHAN



Für mich liegt das Wesentliche unserer Begegnung im DAZWISCHEN. Es ist, als ob wir beide etwas gemeinsam balancieren würden: Jede hält es an einer Seite auf flacher Hand. Es kann sich nur miteinander entfalten. Im Tandem führt hingegen eine und die andere fährt mit. Für die entstandenen KunstTANDEM-Werke passt wiederum dieses Bild: Jeweils eine von uns führt, die andere hat etwas dazugegeben. Wie können wir für Außenstehende das DAZWISCHEN sichtbar machen, da es eher nur fühlbar ist? In jedem anderen Menschen liegen Samenkörner, die in mir neue Früchte ausbilden können. Wir hören einander zu, sprechen gegenseitig, besuchen uns ...


Ich wende mich Heike zu, ihrem Erzählen, ihren Arbeiten, ihren künstlerischen Techniken, ihrem Lebensort, ihren Erfahrungen im „Kunstbetrieb“. Dieses Aufnehmen hinterlässt einen Abdruck in mir. Parallelen werden gezogen, Assoziationen entstehen, neue Ideen, die auch über das Bildwerk hinausgehen können.


Wir sind uns damit mehrfach begegnet, am Telefon, an unseren jeweiligen Lebens- und Arbeitsorten, per E-Mails, per Postsendungen und Fotos. Schicht um Schicht hat sich die Begegnung verdichtet und erscheint jetzt als vielfarbiges, vielgestaltiges Netz in unserem Innern.


Bei mir sind beispielsweise diese Inspirationen gelandet: pure Freude und Genuss an der Sinnlichkeit von Heikes Büttenpapieren, die Möglichkeit, neue und freie Figuren aus abstrakter Formenwelt herauszulösen. Beide arbeiten wir zu Texten von Autor:innen. Bei Heike habe ich gesehen: Sie schreibt diese mit der Hand ab, verinnerlicht sie dadurch und gibt dem Blatt Struktur. Später setzt sie darauf Bilder in freier Form. Das könnte auch für mich ein sinnvolles Vorgehen sein. Mit meinen lasierenden Farben in Heikes Drucke hinein und über sie hinaus malen, darin Freiheit erleben. Heikes gehäkelte und bestickte Decke – eine Bildlandschaft als Parallele für unsere Tandem-Arbeit: Was ist unser gemeinsamer Rahmen oder inneres Skelett? Spiegelung meiner Beharrlichkeit – Perspektiven der anderen zu erfahren. Materialität der anderen (Papiere, Drucke, Farben, Zeichenstrich) als „Rohstoffe“ für die eigene Arbeit nutzen. Für mich ein Geschenk, mit Heikes Radierungen arbeiten zu können. (Dennoch versuche ich, mich im Arbeitsprozess nicht davon blockieren zu lassen.) Daraus entsteht die Idee, auch mit anderen Künstler:innen mal eine Tauschbörse von verworfenen Arbeiten zu machen.


Der Betrachtende kann Vermischungen in unseren KunstTANDEM-Arbeiten wahrnehmen, doch die Ernte aus diesem Projekt geht darüber hinaus und wird weiter anhalten. Die Bilder sind ein momentanes Ergebnis. Das, was zwischen uns entstanden ist, Wertschätzung und Wärme, ist weniger offensichtlich. In mir wurde durch das Hinwenden zu Heikes Schaffen und ihrem Sein etwas angeregt, wie sich das weiterhin in meine Arbeit schreibt, wird die Zukunft zeigen. Heike hat schon eine Idee angedeutet: „Das sage ich dir, wenn du wieder Leere hast!“


SIBYLLE REICHEL

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