Birger Jesch

Birger Jesch

Angeregt durch die für mich neu verfügbaren Werkzeuge Digitalfotografie und Grafiksoftware begann ich vor 20 Jahren mit der Anfertigung von fotografischen Silhouetten-Porträts. Diese führten dann zum Projekt „Schattenalbum“, für das ich neben Porträtaufnahmen in meiner Werkstatt auch in zahlreichen Ateliers befreundeter Künstlerinnen und Künstler mit einem mobilen Lichtkasten Seitenansicht-Porträts aufnahm. Die erste auswärtige Fotosession fand 2010 in der Färberstraße 18 in Leipzig statt, die letzte 2020 im Jenaer Romantikerhaus. Unterwegs war ich zu zwanzig Orten zwischen Berlin, Dresden, Chemnitz und Oberfranken. Von den Beteiligten erbat ich zudem eigene kurze, handschriftliche Texte, die nunmehr zusammen mit den Schattenrissen eine Art Poesiealbum bilden.

Das „Schattenalbum“ verschickte ich als PDF-Datei an die Beteiligten. Um Unbefugten den Missbrauch der persönlichen Signets Handschrift und Silhouette zu vereiteln, erfolgten keine Namensnennungen. Stattdessen betitelte ich die einzelnen Porträts mit dem konkreten Aufnahmedatum: Jahr, Tag, Stunde, Minute.

Erst später und mit dem Einverständnis aller Teilnehmer wurde dem Katalog eine Liste mit den Familiennamen vorangestellt, deren Reihenfolge jedoch nicht der Reihenfolge im Album entspricht. Auf diese Weise versuchte ich, private Daten vor unberechtigtem Zugriff zu schützen, speziell vor datenhungrigen Konzernen und autoritären Mächten, die schon immer alle technischen Innovationen nutzen, sowie vor Kriminellen, die gestohlene personenbezogene Daten auf dem globalen Markt feilbieten.

Johann Wolfgang von Goethe besaß unter anderem eine Schattenriss- und Handschriften-Sammlung. Er korrespondierte darüber mit dem Züricher Pfarrer und Gelehrten Johann Caspar Lavater (1741–1801). Dieser verfasste ab 1775 seine „Physiognomischen Fragmente zur Beförderung der Menschenkenntnis“, in denen er Personen anhand ihres Schattenrisses klassifizierte. Die Handschriften hingegen wurden erstmals 1622 von Camillo Baldis in seiner „Abhandlung über eine Methode, die Natur und Qualität eines Schreibers aus seiner Schrift zu erkennen“ betrachtet. Noch heute werden in der forensischen Kriminaltechnik Graphologen bemüht, allerdings spielt die Handschrift im heutigen elektronischen Zeitalter eine eher untergeordnete Rolle.

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